25
Coucou Chloe
Naughty Dog
Auf die ikonische Eryka Jane EP folgte im Mai endlich der 5-Track-starke Nachfolger Naughty Dog. Poppige Melodien, schief kreischende Synthies und gelangweiltes Genuschel auf harten Beats. Die erste Auskopplung "Gecko" gibt die Richtung vor.
Video: "Gecko"

24
Da$h & Vdon
5 Deadly Venoms
Prinzipiell ist anno 2019 vermutlich nichts langweiliger als kodeingetränkter Mumblerap. Doch Da$h ist nicht nur ein charismatischer MC - mit Vdon hat er auch einen geschmackssicheren Beatbastler zur Seite, der zwar wenig Sensationelles aus dem Hut zaubert, aber doch immer wieder sein Händchen für atmosphärische Filmsamples und hypnotische, karge Loops beweist. Inhaltlich wird hier in kühl temperierter Weise das kleine Gangsta-Rap-Einmaleins durchdekliniert.
Track: "10x"
23
Croatian Amor
Isa
„Brutality makes us feel safe“
Dahintreiben im Safe Space einer Seifenblase aus Ambient, Pop und Licht. Außerweltliche, gleißende Sphären, die immer wieder ins Transzendentale übergleiten. Statt Songs begegnen wir schemenhaft gläsernen Gebilden ohne Bodenhaftung, die sich rasch auflösen und formverändert wieder zusammensetzen.
Track: "Into Salt"
22
Ta-Ra
Rare 1
Eleganter Schlafzimmerpop auf Trap-Beats. Mal schmachtend, mal unterkühlt zeigt sich Rare 1 durchgängig auf hohem Style-Level. Insgesamt gerät das deutlich weniger clubby als auf älteren Releases und die Neuerfindung des Rades wird auch nicht anvisiert, doch die Mischung aus low key Beats, lakonischen Raps und sirupsüßen Hooklines bleibt einfach verdammt verführerisch.
Track: "Falcon7"
21
Deli Girls
I Don't Know How To Be Happy
Am Anfang ist da bloß eine dichte Wand aus maschinellem Getöse. Als diese nach gut einer Minute aufbricht, tritt ein Beat zu Tage, der aus nicht viel mehr als einer aggressiv-penetranten Bassline besteht. Der Stimmeinsatz von Vokalistin Danny Orlowski verfällt immer wieder in verstörendes Screaming, eine gewisse wahnhafte Hysterie ist allgegenwärtig. Deli Girls finden hier eine stimmige Mischung aus roher, minimalistischer Punk-Attitüde und geschickt konstruierter Elektronik: Industrial-Noise-Techno-Punk sozusagen. Das distortiontriefende Soundbild aus Drones, Feedback-Schleifen, nackten lo-fi Synths und harten Beats lädt dabei durchaus zum Tanzen und Abgehen ein.
Track: "Officer"
20
Leonard Cohen
Thanks for the Dance
Die 9 versammelten Stücke entstammen den gleichen Aufnahmesessions von Leonard Cohen und seinem Sohn Adam wie der Vorgänger You Want It Darker. Aufgrund des Todes seines Vaters tragischerweise unter der alleinigen Ägide Adam Cohens fertiggestellt, kommen die dezent arrangierten Songs tatsächlich wie ein Prequel des exquisiten Vorgängers daher.
Video: "Happens to the Heart"
19
Earl Sweatshirt
Feet Of Clay
Earls Jazz-Soulsample-Distortion-Loop-Landschaften scheinen zu polarisieren. Von Album zu Album werden die Soundunterlagen seiner assoziativen Seelenschau-Lyrik ("collection of observations and feelings recorded during the death throes of a crumbling empire") sperriger. Neben dem New Yorker Rapper MIKE lässt sich auch Ka als stilistischer Bezugspunkt zu Feet of Clay ausmachen.
Track: "74"
18
Friends of Gas
Carrara
Carrara. Weißer Marmorstein. Kalt und glatt. Dunkle Strukturen, die sich unter der Oberfläche wie Aderwerk verästeln. Dass der Albumtitel hier programmatisch zu verstehen ist, deutet sich rasch an, die hypnotische Sturheit erreicht ihre Klimax im (klimaxbefreiten) Titeltrack der EP: Geschlagene zehn Minuten lang wird der immer selbe Akkord angeschlagen und verhallt. Die beiden Titel "Kalter Apparat" und "Vom Müssen" geraten da deutlich treibender, wenn auch nicht minder hart und spröde. Das klingt dann ein wenig wie Sonic Youth Ende der 80er Jahre in nochmals gesteigerter Dringlichkeit und Abgefucktheit.
EP/Video: "Carrara"
17
Flame 2
Dive / Rain
Regen oder Vinylknistern, entferntes Dröhnen, ein nostalgischer, körperloser Synthie und dann, wie aus dem Nichts: ein apokalyptischer, urgewaltiger Subbass, der ganze Landschaften zum Erstarren bringt. Ein quasi nur aus Bass bestehendes Stück Musik von derart erdrückender Stärke zu formen, gelingt wohl niemandem wie Burial & The Bug aka Flame 2.
EP: "Dive / Rain"
16
Aisha Devi
S.L.F.
Aisha Devi steht für eine soundgewaltige Synthese aus Spiritualität und futuristischer Clubmusik. Im Vergleich zu ihrem letzten Album DNA Feelings liegt der Fokus bei S.L.F. verstärkt auf letzterer Facette. Die Songs scheinen in eine komprimiertere Stromlinienform gegossen. Im Opener werden traditionelle fernöstliche Gong-Sounds manipuliert und zu einem brachialen Stakkato zusammengeschweißt. Im Closer wächst aus einem ambienten Spoken-Word-Motiv eine sich immer weiter emporhangelnde Arpeggio-Spirale heran. Hermetische Innerlichkeit und zappelige Nervosität sind hier zwei Seiten derselben Medaille.
Track: "I'm Not Always Where My Body Is"
15
slowthai
Nothing Great About Britain
"Sip a cup of tea whilst we're spittin'/ There's nothing great about Britain." Der Northamptoner Grime-MC flowt energetisch und hungrig, schreckt in der Instrumentierung seines Debütalbums dabei auch vor Flirts mit Post-Punk und sphärischem Elektro nicht zurück. Features kommen unter anderem von Skepta und Mura Masa.
Video: "Nothing Great About Britain"
14
Jadasea
half-life
Jadaseas unaufgeregter, Spoken-Word-artiger Vortrag navigiert uns in traumwandlerischer Sicherheit durch die Höhlen und Krater stark hallbeladener Mondlandschaften. Transluzider Zeitlupen-Indie, knisternde Elektronik und sich ultra-träge dahinschleppender Hip-Hop: Ohne Frage verweisen die Beats auf ihren Urheber Edgar the Beatmaker aka Archy Marshall aka King Krule.
Snippet-Video: "half-life"
13
Giant Swan
Giant Swan
Sound für verlassene Lagerhallen, geschmiedet aus kaltem Metall und Glas. Brachiale Kicks halten die Albtraumlandschaften aus Industrial-Percussion, schabenden, kratzenden und Bohrmaschinen-Sounds zusammen. Die nächtliche Panikattacke ist tanzbar!
Track: "Pandaemonium"
12
Xiu Xiu
Girl With Basket Of Fruits
Das Gefühlsspektrum auf dem Xiu Xiu sich bewegen, ist mit der polaren Primitivität von nach oben gezogenen Mundwinkeln auf der einen und nach unten gezogenen Mundwinkeln auf der anderen Seite nicht zu erfassen. Ganze Sammelsurien meist nicht zu isolierender Emotionen werden hier regelmäßig im Laufe eines und desselben Songs durchlaufen. Sperriger, wahnwitziger Art Pop; Musik gewordene Schizophrenie von schwer verdaulicher Komplexität, welche Hüften, Kopf und Magengrube gleichermaßen anspricht.
Video: "Pumpkin Attack on Mommy and Daddy"
11
Loraine James
For You And I
Seltsame Arpeggiator-Melodien, (Post-)Dubstep-Fantasien, stolpernde, lückenhafte Drum-Konstruktionen und eine große Portion Glitch. For You And I ist ein dekonstruierter UK-Clubmusik-Bastard, der landestypische Einflüsse von UK Garage bis Retro R&B in sich vereint. Als Highlight ist das in seiner düsteren Brachialität aus dem Rahmen fallende "London Ting // Dark As Fuck" zu nennen, das eine Art Industrial-Grime zelebriert. Ein Destillat des Gesamtkonzeptes verspricht aber eher der verspielt treibende Opener "Glitch Bitch".
Video: "London Ting // Dark As Fuck (feat. Le3 bLACK)"
10
Amnesia Scanner & Bill Kouligas
Lexachast
Lexachast ist selbst für Amnesia Scanner Verhältnisse ein ziemlicher Brocken: Eine abstruse Zelebrierung des Dissonanten von wenig Struktur und viel Noise. Die tanzbaren Momente sind hier rar gesät. Lexachast ist Klang gewordener Exorzismus, okkulter Ritus und pechschwarze Klanggewalt. Hinter jeder Ecke lauern die Dämonen. Ein Album wie ein Nebelhorn aus der Hölle.
EP: Amnesia Scanner & Bill Kouligas - Lexachast
9
Réelle
Made For Pleasure
Stotternde Rhythmen, obskur manipulierte Samples und gequälte Synthiefahnen, die sich über die Weite endloser Räume strecken. Plötzlich schlagen wie aus dem Nichts metallische Drumdetonationen zwischen Peitschenhieb und Bulldozer ein und hinterlassen nichts als verbrannte Erde. Réelles durch den Fleischwolf gedrehter Industrial Hip-Hop setzt in seiner klanglichen Radikalität Maßstäbe.
Track: "Hug"
8
JH1.FS3
Trials and Tribulations
Wärmende Cyborg-Schlaflieder geleiten durch eine lange Nacht im heimischen Maschinenwald. Fehlprogrammierte Robotik, verirrt heulende Sirenen und gespenstische Stimmfetzen schallen aus dem Off und durch sich biegende Baumwipfel. Ist das ein Traum? Dafür ist der morsche, erdige Geruch eigentlich zu beißend. Geisterbeschwörende Trommel-Rhythmen auf der einen, helle Streicher, Synthiesphären oder auch ein Glockenspiel auf der anderen Seite. In zarterer und dabei doch so verletzender Sanftheit wiegen normalerweise bloß Erlkönige.
Track: "The Chaos Of Illusions"
7
Andy Stott
It Should Be Us
Von seinem Früh- über die beiden Hauptwerke Luxury Problems und Faith In Strangers bis zum Vorgänger Too Many Voices lässt sich als roter Faden eine schrittweise Öffnung des Stott’schen Soundbildes festhalten. Weg vom schweren, opaken Industrial-Techno und hin zu vertrackteren, seltsameren bis fehlenden Rhythmen, gleißenden, ambienten Flächen und den zarten Vocals von Kollaborateurin Alison Skidmore. Die ätherischen Synthies finden sich nun auch auf It Should Be Us. Und auch die Drumloops bleiben mit größter Raffinesse gechoppt. Doch die Schwere vergangener Tage kehrt ebenfalls wieder ein; massige Bassdrums marschieren in altvertrauter Sturheit.
Track: "Dismantle"
6
Easter
She Is Warm
"On the smar with the slick walrus ivory/ sadness is an evil gas inside of me." Easter bleiben ihrer Dream-Pop-Formula weitgehend treu. Vibemäßig definiert Dream Pop im Fall der beiden Wahlberliner jedoch weniger das Stereotyp des melancholischen Hermiten, der in verträumt-tiefgründiger Manier Löcher in die Zimmerdecke starrt. Viel mehr entsteht hier ein ganz eigenartiger, soghafter Stream of Consciousness aus Alltagsbeobachtungen, absurden Gedankenschnipseln und wechselnden, scheinbar zusammenhangslosen Alice-im-Wunderland-Szenarien. Die Beats sind dabei deutlich druckvoller und cleaner produziert als gewohnt, was der umarmend-warmen Schwere aber keinen Abbruch tut. Dass Sängerin Stine Omar einen größeren Teil ihrer Texte neuerdings in einem akzentreichen Deutsch vorträgt, erzeugt in Harmonie mit einer ganzen Reihe an 80's Wave Elementen einen sehr eigenwilligen Funk.
Video: "Cuppa"
5
Ruhe & Bit
Stillleben
Schiefe Gitarrenläufe, Trip-Hop-Anleihen, sanfter Gesang und variable Rap-Flows ohne in die Crossover-Falle zu tappen. Stillleben offeriert ein raffiniertes Klangbild voll Psychedlik, reich texturierter Percussion und organischer Wärme. Die introvertierte und verschachtelte Lyrik dient als Klebstoff dieses hermetischen Kosmos.
Video: "Pendel"
4
Negroman
Cuck
Als Künstlerpersona im Zuge geläufiger Authentizitätsdebatten ist der Negroman kaum zu greifen. Gefühlte drei Mal metamorphosieren lyrisches Ich und lyrisches Du beim Verstreichen von zwei Takten. Philosophische Ideen und banal erscheinende Beobachtungen der Außenwelt stehen wie selbstverständlich neben Intimem und Persönlichem und verschmelzen zu einem komplexen, nicht widerspruchsfreien Selbstporträt, das seine "Authentizität" eben gerade aus der Verneinung des Binären schöpft.
Video: "lavish.jpg"
3
Eartheater
Trinity
Irisiri war ein abstrakter Bewusstseinsstrom, ein Ritt durch milchige Gewässer und blinde Seelenflecke. Wenn festere Strukturen aufblitzten, so zumeist nur als Kontrastfolien, die über, hinter oder neben diffusere Experimente gespannt waren. Auf Trinity ist der vormals versteckte Dance Music Einschlag nun omnipräsent, die einzelnen Titel sind in sich geschlossener und offensichtlicher strukturiert. Zwischen gläsernen Lead-Synthies und sphärischen Flächen bleibt der ätherische Gesang Eartheaters das zentrale Charakteristikum.
Track: "Spill The Milk"
2
FKA twigs
Magdalene
Das zu großen Teilen selbst-, stellenweise mit der Unterstützung von unter anderem Nicolas Jaar oder Oneohtrix Point Never produzierte Magdalene ist FKA twigs' erstes Album seit 2014. twigs singt unter dem Bann ganzheitlich einnehmenden Herzschmerzes in all seiner physischen Wucht und seelischen Brutalität. Schiere Verletztheit wird sowohl von ihrem kristallinen Sopran als auch den fragilen Instrumentals transportiert. Deren Virtuoisität ist dabei schlicht atemberaubend. Man möchte von Minimalismus sprechen, da wirklich kein Sound, keine Note zu viel eingespielt ist. Immer wieder bricht Stille ein, nichts bleibt als twigs' nackter Stimme. Doch letztlich sind die Kompositionen dafür zu vielschichtig, zu detailreich und in ihren Spannungsbögen zu komplex arrangiert. Ein hyperinnovatives Pop-Album aus dekonstruierter Elektronik und zartgliedrigem R&B.
Track: "mary magdalene"
1
Lana del Rey
Norman Fucking Rockwell!
"Goddamn, man-child/ You fucked me so good that I almost said 'I love you'." Alben von Lana del Rey neigen dazu, mit jedem neuen Hördurchgang zu wachsen. Vermutlich, weil die Melodien eben nicht aufdringlich gen Radio zielen sondern von einer subtileren Schönheit sind, die es erst Schicht für Schicht freizuschaufeln gilt. Im Mittelpunkt des zurückgenommen arrangierten Norman Fucking Rockwell! stehen ganz klar Lanas Stimme und ihr nochmals verfeinertes Storytelling. Während Popstars sich für gewöhnlich den Geschmäckern ihrer kaufbereiten Hörerschaft unterwerfen, verbliebene Ecken und Kanten abschleifen und artig Männchen machen, wird Lana von Album zu Album sperriger, evolviert und erfindet sich immer wieder neu ohne dabei mit ihrer komplexen Künstler-Persona zu brechen. Beispielhaft sollen das unerwartet trippige, gitarreneffektbeladene und fast zehnminütige "Venice Bitch" und die schließende, ziemlich klassische Pianoballade "hope is a dangerous thing for a woman like me to have - but i have it" genannt sein.
Albumtrailer: "Norman Fucking Rockwell!"
Ebenfalls absolut hörenswert:
Ancestral Voices - Navagraha
Bon Iver - i,i
Boy Harsher - Careful
Burial - Claustro / State Forest
Danny Brown - uknowhatimsayin¿
Imaabs - Disable
Karyyn - The Quanta Series
Kedr Livanskiy - Your Need
Lee Gamble - Exhaust
Lorn - Drown The Traitor Within It
MIKE - Tears of Joy
Miss Red - The Four Bodies
Prison Religion - Beachhead
Triad God - Triad
Zamilska - Uncovered
Zonal - Zonal
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