Donnerstag, 10. Mai 2018

Geheimtipp: Ungemach

Böse Zungen würden sich wohl dazu fehlleiten lassen, allem aus Wuppertal Entwachsenen das Etikett "Ungemach" anzuheften (Heroin etc.). Ganz besonderes Unrecht würden sie damit wohl dem gleichnamigen Elektro-Produzenten/Sänger/Künstler/Beatmaker/Avantgardisten aus der Wupperstadt tun.









Völlig abwegig wäre die eingangs beschriebene Geisteshaltung jedoch auch nicht. Zumindest auf popkultureller Ebene bekam Wuppertal auf den brillianten expressionistischen Dichter Paul Zech (1881-1946) und in den 1980ern die nicht minder brillianten Fehlfarben und DAF folgend nicht mehr allzu viel auf die Kette.
Von Prezident und den Kamikazes, dem vielleicht potentesten Mikrokosmos der deutschsprachigen Rapszene, einmal abgesehen, ist auch im Hier und Jetzt ernüchternde Ebbe der Status Quo.

Auch deshalb ist es nur folgerichtig, dass die Ungemachs Sound entsprechenden Referenzen vornehmlich aus dem erweiterten europäischen Raum importiert sind. Tricky, Burial, Andy Stott, Arca und Smerz sind hier die intuitivsten Assoziationen.

Dass der junge Künstler sich nicht damit begnügt, auf ausgetretenen Pfaden umherzustapfen, ist mehr als offenkundig. Durch technoide oder ambiente Passagen aufgebrochene Trip-Hop-Rhythmen bilden ein stringentes Grundgerüst. Der geschickt gewebte Minimal-Teppich wird dabei mit Vorliebe durch kreischende Synthies und drückende Bässe angereichert, was in der Summe ein klaustrophobisches, düsteres Klangbild kreirt.



Ungemach verfügt über zwei große Qualitäten, die der 14 Minuten kurzen EP (Download) den letzten Schliff geben und aus ihr mehr machen als ein ein hoch talentiertes Experimental-Ideen-Sammelsurium. Erstens der Gänsehaut und Nackenschauer evozierende Stimmeinsatz und zweitens seine Ader für das wunderschön Lakonische. Jedes Soundelement hat sich funktional den Songs unterzuordnen, es wird kein Wort, kein Synthie und keine Hi-Hat zu viel angeschlagen.
Gerade diese angenehme Anti-Brechstangen-Mentalität, diese abgebrüht vibeorientierte Entspanntheit ist es, die das ambitionierte Projekt aus dem muffigen Soundcloud-Eintagsfliegensumpf erhebt und neugierig auf Zukünftiges macht.